Felix Roßmeißl – „Freiheit. Subjekt. Gewalt – Zu einer Kritik der Gewalt in der Spätmoderne“

Wie André Breton im zweiten Manifest des Surrealismus verkündete, suchte die künstlerische Avantgardebewegung, die sich um seine Person versammelte, ihre Bestimmung in der Verursachung einer Krise des zeitgenössischen Bewusstseins, in der Zerschlagung bürgerlicher Ideale, wie Familie, Vaterland und Religion und darüber in einer Befreiung des Subjekts aus den Fesseln dieser bürgerlichen Kultur und Gesellschaftlichkeit. Jedoch können die Wege zu diesen hehren Zielen nicht ohne Opfer bleiben: eine kompromisslose, absolute Revolte bedarf es, die einzig sich auf die blanke Gewalt stützen kann und die am besten zu veranschaulichen sei durch das, was er die einfachste surrealistische Handlung nennt, nämlich „mit Revolvern in den Fäusten auf die Straße zu gehen und blindlings so viel wie möglich in die Menge zu schießen“.

Es ist bekannt, dass Breton Zeit seines Lebens eine Verwirklichung dieses Aktes seinen Mitmenschen ersparte und bereits seit seiner Veröffentlichung wird darüber spekuliert, dass diese Aussage so „ernst“ wohl nicht gemeint sein kann; doch diese Argumente schmälern die grundlegende Stoßrichtung dieser kleinen Episode nicht. Diese nämlich besteht zuvorderst in einer Erhebung der physischen Gewalt zu einer erhabenen Kraft, die durch ihre reinigende Wirkung einem verkommenen geschichtlichen Verlauf das Ende zu bereiten und das Subjekt in ein neues Reich der Freiheit zu bringen vermag. In anderen Worten kann diese Aussage – so effektlos sie zunächst auch erscheinen mag – als Element in einem Diskurs betrachtet werden, der sich durch eine Verkleidung und Fetischisierung von Gewalt auszeichnet und der sich im 20ten und 21ten Jahrhundert durch verschiedene politische Lager hindurch auf blutige und zum Teil grausame Art und Weise materialisiert hat. An ihm wie auch an vielen anderen lässt sich eine der zentralen Bedingungen von Gewalt herausarbeiten: die Einkleidung des traumatisierenden Realen der Gewalt durch imaginäre Mystifikationen verschiedenster Art.

In Anbetracht der erneuten Aktualität von Gewaltphänomenen in Gesellschaften des 21ten Jahrhunderts möchte ich mich – ausgehend von dem eigentlich emanzipatorischen Selbstverständnis der surrealistischen Bewegung – mit diesem Diskurs um die physische Gewalt beschäftigen und in einer kritischen Analyse der subjettheoretischen Erwägungen und des Verhältnisses von Gewalt und Freiheit diejenigen Bedingungen der Gewalt herausarbeiten, die in ihrer mystifizierenden Verklärung liegen. Über diese Untersuchung möchte ich zu einem Punkt gelangen, von dem aus eine emanzipatorische Kritik der Gewalt entwickelt werden kann, die zwar den naiven Kurzschluss vermeidet, Gewalt als Handlung grundlegend zu verwerfen, die sie jedoch als ein Prinzip der Befreiung, der Erlösung etc. radikal in Frage stellt und ihre generelle Nicht-Legitimierbarkeit zur Grundlage ihrer Betrachtung macht.

Wann: 06.11.2016

Wo: GlogauAIR

Wer nochmal: Felix Roßmeißl


A variety of different social, political and economic changes marked the beginning of the 20 th century as an era of the extreme. The domain of art and literature, underwent some significant breaks, too.

Different artistic avantgarde movements, disregarding their dissimilar political backgrounds, endeavored to express a critique of bourgeois culture and its praise of the rational subject. With their agenda of materializing art in real life, they tried to free the modern individual from the political and economical forms of bourgeois society, as well as from its traditional form of subjectivity, which was predominantly characterized by instrumental reason and the repressive character of moral. It is widely recognized that these concerns, at least as cultural criticism, haven´t been without effect and have indeed influenced the cultural consitution of society. This insight manifests itself in the term „Künstlerkritik“ and the emphasis on its appreciable impact on the genesis of post-modern sociality. I want to use this as an opportunity to take a closer look at the understanding of freedom that the avant-garde surrealist movement carries. Most of all in this examination I want to focus on the specific moment in which the notion of liberating the subject turns into a myth, making it compatible with authoritarian and proto-fascist movements. Especially the roles of violence and myth, which have an important part in surrealism, will lead to this point. In this way I will try to comprehend contemporary social developments, that are characterized by the fact, that the children of exaxtly that post-modern society, which not long ago thought of itself as liberal and individualized, increasingly turn to authoritarian movements.

When: 06.11.2016

Where: GlogauAIR

Who again: Felix Roßmeißl